APPOGGIO – SUPPORT – ATEMSTÜTZE

Diese Begriffe hast du schon mal gehört – Aber du hast noch Fragen?

Ob durch Social Media, YouTube oder Erfahrungen in Gesangs- und Chorstunden. Diese Begriffe begegnen uns schnell, wenn wir uns mit Stimmbildung auseinandersetzen. Fast jede*r Gesangsschüler*in scheint sie schon einmal gehört zu haben oder sogar eigene Ideen mitzubringen worum es sich dabei handelt. Nicht selten sind Fehlinformationen dabei oder es fehlen wichtige Punkte. Also was bedeuten sie wirklich und wie wenden wir die „Stütze“ an?

„Appoggiare la voce“ ist italienisch für „die Stimme anlehnen“. Der englische Begriff „support“ bedeutet „Unterstützung“. Die deutsche Variante lautet „Stütze/Atemstütze“.

Erstmal meinen diese 3 Begriffe dasselbe. Einen bestimmten und komplexen Muskelvorgang bei der Ausatmung bzw. beim Singen. Die bei der Ausatmung nach außen dringende Luft soll gleichmäßig und ohne Druck an die Stimmlippen gebracht werden. Diese Technik ist für eine gesunde Gesangsstimme essentiell. 

SUBGLOTTISCHER DRUCK

Also der Druck unterhalb der Stimmlippen kann durch unachtsames Ausatmen beim Singen schnell zu groß werden. Die Luft drückt den Kehlkopf nach oben und die Stimmlippen auseinander. Dadurch können sie nicht mehr richtig schließen. Du hörst meist einen ungewollt hauchigen Ton oder spürst sogar Spannung im Kehlkopfbereich.

Beim „Stützen“ geht es darum die Luft kontrolliert an die Stimmlippen zu bringen und so wieder für ein gleichmäßiges Druckverhältnis ober- und unterhalb der Stimmlippen zu sorgen, damit sie frei schwingen können. Man könnte sagen, die Stimmlippen nehmen sich dabei die Luft die sie zum Schwingen brauchen. Wie geht das genau?

YIN UND YANG

Bei dem Begriff „Stütze“ denken viele Sänger*innen an etwas sehr Festes, Unbewegliches oder Ruckartiges, aber es ist eine fließende Bewegung von Entspannung bei der Einatmung und Wohlspannung bei der Ausatmung. Ein anderer häufig gemachter Fehler: Sie konzentrieren sich beim „Stützen“ nur auf die Ausatmung. Aber ohne die richtige Einatmung ist ein Appoggio nicht möglich. Hier beginnt quasi unsere Arbeit für den richtigen Ton!

MUT ZUM BAUCH

Die Einatmung ist also der erste wichtige Schritt. Beim Singen bedienst du dich der Zwerchfell-Flanken-Atmung. Das bedeutet du atmest tief durch die Nase oder Nase und leicht geöffneten Mund, dein Bauchnabel fällt locker nach vorne und dein Brustkorb, besonders der untere Teil mit den kleinen Rippenbögen weitet sich. Dies geschieht mit der Entspannung der Bauchdecke und des Rückens bei gerader Körperhaltung. Vielen Menschen fällt das erstmal schwer. Unsere Gesellschaft prägt uns eher zur „Hochatmung“. Stress im Alltag und auch Schönheitsideale wie ein flacher Bauch können das noch verstärken. 

Nimm dir Zeit diese Art der Einatmung zu trainieren. Achte darauf die Luft nicht einzuziehen, sondern warte deinen natürlichen Atemreflex ab. Mit jedem Atemzug wird sich dein Bauch und dein Brustkorb mehr entspannen. Deine Bauchmuskeln sind dabei nicht angespannt sondern weich.

APPOGGIO

Als nächster Schritt folgt die achtsame Ausatmung, dabei zieht sich der Bauchnabel fließend Richtung Wirbelsäule. Der natürliche Impuls wäre es, nun auch die Flanken wieder abzuflachen, vielleicht sogar leicht vornüber zu kippen und die Schultern nach vorne fallen zu lassen um die Luft wie aus einer Luftmatratze zu pressen. Aber hier greift die „Appoggio-Technik“.

Auf muskulärer Ebene schalten wir nun eine Einatemfunktion in die Ausatmung. Du lässt die Flanken geweitet, bleibst aufrecht im Oberkörper und lässt nur den Bauchnabel und den Rücken zueinander ziehen. Dein Oberkörper bleibt „würdevoll“ aufrecht und entspannt. Der Bauch erlebt etwas Spannung, die du fühlen kannst, wenn du deine Hände in die Seiten nimmst.

Atme zuerst auf „ffff“ oder „ssss“ aus, um deinen Atemstrom zu hören. Er sollte gleichmäßig fließen. Singe anschließend einzelne Töne, die in deinem Wohlfühlbereich liegen, bis hin zu kurzen Songabschnitten etc. Zu keiner Zeit solltest du Druck im Kehlkopfbereich spüren.Dein Kopf und dein Hals sind entspannt.

Ein guter Trick um die Dehnung der unteren Rippenbögen nochmal deutlicher wahrzunehmen ist an deinem Handrücken oder Finger zu saugen wie an einem Strohhalm. Dabei entsteht eine Spannung der Zwischenrippenmuskulatur. Lasse sie in dieser Dehnung und versuche durch deine Nase ein- und auszuatmen. Du wirst merken, dass du die Dehnung der Rippen aufrechterhalten kannst, während dein Bauch zur Wirbelsäule wandert. Dein Solar Plexus (unterhalb deines Brustbeins) bewegt sich während des Singens sanft nacht außen. Genauso wie die „Waistbands“ (unterhalb der Rippen/seitliche Bauchmuskulatur). Diese Bewegungen fühlen sich in der Kombi an wie eine leichte „Wippbewegung“ des Bauches. All diese Muskelbewegungen zusammen beschreiben die Atemstütze (Appoggio, Support)!

Durch die Appoggio-Technik bist du in der Lage, die Dehnungsspannung des Einatmens beim Ausatmen beizubehalten, wodurch die Luft nicht ungehindert gegen die Stimmlippen drückt, sondern eher gebündelt wird. Das Singen fühlt sich leichter an. Vielleicht hast du sogar das Gefühl, dass dein Ton lauter und voller klingt, ohne dass du versucht hast lauter zu werden. 

KOMPENSATION

Vielleicht bemerkst du bei den ersten Versuchen auch, dass deine Stimme mehr wackelt und sich alles noch etwas befremdlich anfühlt. Das ist völlig normal! Bisher hast du eine andere Atemtechnik angewendet um zu singen und andere Muskeln benutzt, um den subglottischen Druck zu kompensieren. Meist ist es die Hals- und Zungenmuskulatur, die einspringt. Schnelle Heiserkeit kann im schlimmsten Fall die Folge sein. Ich nenne das „nur aus dem Hals singen“ oder auch „ohne Bauch“ singen. Damit meine ich ohne ausreichende Atemstütze. Die neuen Muskelabläufe zu trainieren braucht Zeit. Genauso wie ein*e Marathonläufer*in trainiert um fit zu bleiben sollte ein*e Sänger*in diese Atemtechnik immer wieder trainieren, egal wie lange er/sie schon singt. 

Gib dieser Technik Zeit und hole dir von einem Gesangslehrer oder einer Gesangslehrerin Hilfe beim Üben, besonders wenn du noch am Anfang deiner Stimmausbildung bist. Supervision beim Lernen dieser Technik ist sehr wichtig, denn so vermeidest du, dass sich Fehler einschleichen.